Pflanze des Monats: Brennnessel

viel mehr als nur ein lästiges Unkraut

  

Lungenkraut
Lateinischer Name                Urtica dioica
Pflanzenfamilie                 Brennnesselgewächse (Urticaceae)
Andere NamenBrennnettel, Donnernessel, Dudelkolbe, Feuerkraut, Gichtrute Hanfnessel, Nettel, Saunessel, Senznessel, Tisssel, Zingel 
Erkennungsmerkmale     

Stängel: aufrecht, unverzweigt, 4-kantig

Blätter: gegenständig, länglich-eiförmig, zugespitzt, am Rand grob   gesägt, ältere Blätter am Grund herzförmig, spitz zulaufend, mit Brenn- und Borstenhaaren, Nebenblätter klein, gesägt

Blüte: Blütenstand-Rispe, achselständig, länger als der Blattstiel, männliche Blüten-gelblichgrün, waagerecht abstehend, weibliche Blüten-graugrün, hängend

Früchte: linsenförmige Nussfrüchte (Achänen)

Blütezeit: Juli bis Oktober

Höhe: 30 bis 150 cm

Die Staude ist ausdauernd, krautig, mit kriechendem, weit verzweigtem Wurzelstock. Alle oberirdischen Pflanzenteile sind mit Brenn- und Borstenhaaren bedeckt.

Zweihäusig, es gibt männliche und weibliche Pflanzen

Erntemonate                    

Ganze junge Pflanze vor der Blüte: März-April

Blätter: April bis September (nachmittags=niedrigerer Nitratgehalt)

Samen: ab  Juli bis Oktober

Wurzel: ab Oktober

Verwendbare Pflanzenteile     Blätter, Blüten, Kraut, Samen, Wurzeln
Vorkommen / Standort                     

Wegränder, Schuttplätze, Ödland, Wälder

halbschattig bis sonnig auf nährstoffreichen und feuchten Böden

Zeigerfunktion für stickstoffreiche Böden!

Verwechslungsgefahr     

Kleine Brennnessel (Urtica urens), einjährig, 20 bis 50 cm hoch, Blätter runder, kürzer als 4 cm, Blütenstände in Blattachseln sitzend, männliche und weibliche Blüten auf einer Pflanze, einhäusig, getrenntgeschlechtlich

 

Taubnessel (noch nicht blühend).

Besondere Inhaltsstoffe     

 
Kraut, Blätter und Samen enthalten viel Vitamin C, Vitamin A und E, kompletter Vitamin B-Komplex einschließlich Folsäure, außerdem Mineralsalze wie Kalium, Kalzium, Kupfer, Eisen, Magnesium, Mangan, Natrium, Nitrat, Phosphor und Zink. Daneben noch Carotinoide, Chlorophyll, Gerbstoffe, Kieselsäure, Schleimstoffe, Fettsäuren und ätherische Öle. 

Naturheilkundliche Anwendung

 

 

 

 

Kraut und Blätter dieses „Unkrauts“ wirken entwässernd und antientzündlich. Von den Wurzeln können Männer mit Prostatavergrößerung profitieren.

Brennnesselkraut/-blätter ist daher unterstützend bei rheumatischen Beschwerden einsetzbar.

Da Brennnesselkraut auch harntreibend wirkt, hilft sie bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege sowie bei Nierengrieß. 

 

 

Volksheilkunde: 

Seit der Antike gilt die Brennnessel als Heilpflanze. Bereits damals wurde sie zur Behandlung von rheumatischen Erkrankungen und Gicht eingesetzt. Im ersten Jahrhundert nach Christus berichteten die griechischen Ärzte Dioskurides und Galen, dass das Blatt der Brennnessel harntreibend wirke und abführende Eigenschaften besäße. Paracelsus wusste schon vor 500 Jahren: „Wenn man sie kocht und mit Pfeffer oder Ingwer mischt und auflegt, hilft dies bei Gelenkschmerzen.“. Die Wurzeln und Blätter der Brennnessel regen die Durchblutung an, weswegen sich schmerzhafte Erkrankungen wie Gicht oder Rheuma bessern könnten. Ganz mutige Zeitgenossen ließen sich mit Brennnesseln auspeitschen. 

Die entwässernde Wirkung nutzte man in Form von Tee bei Blasen- und Nierenentzündungen.

Durch ihren recht hohen Vitamin C-Gehalt kam die Brennnessel auch zur Bekämpfung und Vorbeugung von Skorbut als Brennnesselspinat zum Einsatz.

Mit einem Verband, getränkt in Wasser mit Blatt und Stängel der Brennnessel, stoppte man in der amerikanischen Heilkunde blutende Wunden. In der brasilianischen Kräutermedizin wird die ganze Pflanze zur Behandlung starker Menstruationsblutungen, gegen Durchfall, Diabetes, Harnwegs- und Atemwegserkrankungen sowie Allergien eingesetzt. 

Mit Brennnessel-Extrakt behandelt man äußerlich Hautprobleme. So wird in Peru die Brennnessel äußerlich bei Entzündungen, Ischias, Wunden und Kopfläusen aufgetragen.

Eine Kur mit Brennnesselsaft soll bei Blutarmut helfen und der Tee aus Kraut und Blättern die Frühjahrsmüdigkeit vertreiben.

Die Brennnesselsamen galten als aphrodisierend, weshalb der Genuss Mönchen und Nonnen im Mittelalter strengstens verboten war.

Dem Sud aus Brennnesselwurzeln in Verbindung mit Apfelessig wird nachgesagt, dass er als Naturheilmittel bei frühzeitigem Haarausfall wirkt.

Zubereitung: 
 

 

Kraut frisch oder getrocknet als Teeaufguss, in kaltem Wasser eingelegt als Erfrischungsgetränk.

 

Blätter als Chips, blanchiert oder mit dem Nudelholz überrollt (um die Brennhaare zu zerstören) in gemischten Salaten, in den Smoothie, als Suppe, Gemüse, für Gebäck, Bratlinge und Suppenklößchen, Kräutersalz

Samen (leicht angemörsert) in Müsli, Smoothie, Quarkspeisen und Suppen, über Salat, in Kräutersalz, als Zutat und Deko für Gebäck und Energiekugeln

Wurzeln für Tee, Tinktur und Haarwasser

 

Achtung     Mögliche Nebenwirkungen der Brennnessel
Im Allgemeinen denken Menschen, dass Brennnessel ungefährlich sind. Dennoch kann die Brennnessel Nebenwirkungen verursachen, wie Magenreizungen, Flüssigkeitsansammlungen, Schwitzen, Durchfall oder Hautausschlag. Die Berührung einer Brennnesselpflanze kann eine allergische Hautreaktion auslösen. Tragen Sie niemals Brennnessel auf offene Wunden auf. Schwangere Frauen sollten den Kontakt mit Brennnesselpflanzen vermeiden, weil die Inhaltsstoffe eine hormonelle Wirkung haben und eine Fehlgeburt auslösen können. Weil die Brennnessel den Blutzuckerspiegel beeinflussen kann, müssen auch Diabetiker vorsichtig sein. Ebenfalls ist Vorsicht geboten bei niedrigem Blutdruck und bei der Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten. Brennnessel kann die Blutgerinnung verändern und die Wirkung entsprechender Arzneimittel verstärken oder abschwächen.
Wissenswertes

Allgemein gilt:

Nur das sammeln und essen, was man zu 100% kennt. 

Die Brennnessel ist selbst nachts problemlos bestimmbar. 😉

Die Blätter und Stängel der Brennnessel sind über und über mit feinen Brennhaaren bedeckt. Wenn die Köpfchen der Brennhaare bei Hautkontakt abbrechen, dringt ein Teil der Haare, wie eine kleine Spritze in unsere Haut ein und es tritt eine Flüssigkeit bestehend aus Ameisensäure, Acetylcholin, Essigsäure, Histamin, Natriumformiat und Serotonin aus, welche dann zu lästigem Juckreiz und Quaddeln führen kann. Dagegen hilft Spitzwegerich!

Rund 50 verschiedene  Schmetterlingsarten nutzen die Brennnessel als Futterpflanze, darunter so prächtige Tagfalter wie Tagpfauenauge, Admiral und Kleiner Fuchs (auch Nesselfalter genannt). Ihre Raupen sind ausschließlich auf Brennnesseln angewiesen!

In 100g Brennnessel stecken bis zu 8g Eiweiß, dass ist 4x mehr als in einer Avocado. Darüber hinaus enthält sie Lecithin, das als Stärkungsmittel vor allem für ältere Menschen gilt. 

Sie enthält Omega-3 und Omega-6-Fettsäuren, 6x mehr Kalzium als Spinat, wesentlich mehr Magnesium als Kopfsalat, doppelt so viel Eisen wie Rindfleisch, Kupfer um das aufgenommene Eisen ins Hämoglobin einzulagern und den höchsten Gehalt an löslicher Kieselsäure aller Pflanzen-für schönes Haar und feste Nägel.

Das enthaltene Beta-Carotin (Provitamin A) wirkt stark antioxidativ. Die enthaltenen B-Vitamine stärken unsere Nerven und sind wichtig für die Energiegewinnung. Vitamin E schützt unsere Zellen vor freien Radikalen und Zellalterung. Als heimische Vitamin C Quelle enthält sie 6x mehr Vitamin C als Zitronen und verbessert die damit unsere Eisenaufnahme und fängt freie Radikale ein.

Die enthaltenen Polyphenole stärken unser Immunsystem und der Ballaststoffgehalt ist doppelt so hoch wie in Spinat. Flavonoide und Carotinoide schützen unsere Blutgefäße und helfen unserem Körper mit einer verstärkten UV-Strahlung klar zu kommen. Sie hilft uns auch bei der Entgiftung der Leber und kann helfen, einen zu hohen Blutdruck zu senken. Das enthaltene Histamin kann helfen Allergien vorzubeugen und die enthaltenen Phytosterole wirken Cholesterinsenkend.

Seit der Bronzezeit und bis ins 17. Jahrhundert wurden in einigen nördlichen Ländern die Fasern benutzt um Tücher, Seile, Netze und Angelschnüre herzustellen. Zum Ende des 19. Jahrhunderts herrschte Baumwollknappheit und man nannte die Brennnessel deshalb umgangssprachlich „das Leinen der armen Leute“. Während Baumwolle für die Produktion eines einzigen T-Shirts 20.000 Liter!!! Wasser benötigt, reicht der Brennnessel der natürliche Niederschlag. 

 

Brennnessel - die deutsche Baumwolle

Not macht erfinderisch: Die Seeblockade der alliierten Kriegsgegner zeigte im Jahr 1917 – dem vierten Weltkriegsjahr – im Deutschen Reich immer mehr ihre Wirkung.

Baumwolle für die Bekleidung von Soldaten und der Zivilbevölkerung wurde knapp.  Brennnesseln (Urtica dioica und Urtica urens maxima), obschon lange Zeit als wohlfeines Gemüse oder auch als Tierfutter empfohlen, wurden nunmehr anderweitig dringend gebraucht. So meldete das Schöneberger Tageblatt im Oktober 1917: 
„Verbot der Brennessel – Verfütterung. Laut der Verfügung des Kriegsministeriums vom 2. Oktober 1917 dürfen Brennesseln weder verfüttert noch als Gemüse verwendet werden. Sobald die Brennesseln abgeerntet sind, unterliegen sie der Meldepflicht an das Webstoffamt der Kriegsrohstoff-Abteilung des Kgl. Preußischen Kriegsministeriums, Berlin SW 48, Verlängerte Hedemannstraße 10 unter der Aufschrift „Nesselbeschlagnahme“. Zuwiderhandlungen werden nach § 6 der Bekanntmachung über die Sicherstellung von Kriegsbedarf vom 26. April 1917 mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu 10.000 Mark bestraft, sofern nicht nach allgemeinen Strafgesetzen höhere Strafen verwirkt sind. Nähere Auskunft erteilt die Nessel – Anbau – Gesellschaft m.b.H., Berlin W 8, Mohrenstraße 42 – 42.“

Berliner Schüler durften damals zwiespältige Freude empfunden haben; sie hatten zwar zur Erntezeit der Brennnesseln mehrfach bis zu zwei Tage schulfrei, durften sich aber über Hautjucken, Niesreiz etc. nicht beklagen.

Anmerkung: „Lange Zeit, vor allem während des 1. Weltkriegs, wurde die Sammlung von Urtica dioica in großem Umfang betrieben und daraus eine gebleichte Faser von seidenartigem Glanz und großer Geschmeidigkeit zur Verarbeitung in der Textilindustrie (Nesselstoffe) gewonnen. Die dabei als Nebenprodukt anfallende Gummisubstanz erwies sich als ein gutes Klebemittel. Auch zur fabrikmäßigen Gewinnung von Chlorophyll wurden Brennnesseln als billiges Ausgangsmaterial häufig verwendet.“
Quelle: M. Furlenmeier; Wunderwelt der Heilpflanzen. Eltville am Rhein 1978, Seite 174

https://stadtteilzeitung.nbhs.de/aktuelles/news-detail/artikel/brennnessel-die-deutsche-baumwolle

Auch zur Papierherstellung verwendete man Brennnesseln. Dieses Papier ist qualitativ besser, zerfällt und vergilbt langsamer und lässt sich öfter recyceln als Holz aus Papier. Bei der Herstellung müssen zudem viel weniger Chemikalien eingesetzt werden, weil die Faser von Natur aus, ein sehr helles und glattes Papier ergibt.

Die Brennnessel gehörte lange Zeit auch zu den Färbepflanzen. Wolle; Baumwollstoffe und Leinen kann man mithilfe der Blätter und Wurzeln von wachsgelb über grün bis grau einfärben.

Und auch im Garten kann die Brennnessel vielseitig eingesetzt werden. Brennnessel-Brühe als Kaltwasserauszug hilft gegen Blattläuse und Milben. Als Pflanzenstärkungsmittel erhöht sie die Widerstandskraft der behandelten Pflanzen gegenüber Schädlingen und wirkt auch düngend. Gurken, Kohlgewächse, Kürbis, Tomaten und Zucchini zeigen damit üppiges Wachstum.

Nicht ohne Grund wurde die Brennnessel deshalb zur Heilpflanze des Jahres 2022 gekürt. Eine zutiefst einheimische Pflanze, die so ungeheuer vielseitig nutzbar ist.

Quelle:

Katrin Dechant 

www.ptaheute.de www.reportagen.de/reportagen/view/1764/Brennnessel-ein-be-stechender-Alleskoenner#listing

www.br.dewww.utopia.dewww.ptaheute.dewww.uni-hildesheim.dewww.reportagen.dewww.mein-heilkräuterkeller.de; www.karinkaepli.ch; www.kraeuter-buch.de; www.nabu.dewww.helmholtz.de; http://www.ifwertschoepfung.de; Unsere essbaren Wildpflanzen-Rudi Beiser; Wildes Oederan e.V.